Wiener Zeitung: Unwürdiges Ende, undurchsichtiger Neustart

Nachdem am 30. Juni 2023 die letzte Ausgabe der Wiener Zeitung erscheint, kommt es zum Abbau der bisherigen Redaktion. Was dann folgt, bleibt unklar und demokratiepolitisch gefährlich.

Wien, am 29. Juni 2023

Der Presseclub Concordia hat das neue Gesetz zur Wiener Zeitung (WZEVI-G) von Anfang an abgelehnt. Nun steht das Gesetz kurz vor der Umsetzung und diese wird noch schlimmer als erwartet. Am 5. Oktober 2022 erklärte Medienministerin Susanne Raab, mit dem von der Regierung geplanten Umbau der Wiener Zeitung von einer Tageszeitung zu einer Mischung aus Online-Medium, Ausbildungszentrum, Verlautbarungsplattform und Content Agentur würde kein nennenswerter Stellenabbau einhergehen.

Heute wissen wir, dass dieser Beschwichtigungsversuch nicht der Wahrheit entsprach. Mit der Einstellung der Tageszeitung, die am 30. Juni zum letzten Mal erscheint, wird es auch zu einer Zerstörung der bisherigen Redaktion und zu einer Kündigungswelle im Unternehmen kommen. Bisher wurden mindestens 63 Verträge aufgelöst. Unter den Mitarbeiter*innen, die gehen müssen, ist das gesamte Team für Grafik und Layout, die Chefredaktion und sämtliche Ressortleiter*innen. Auch die seit 1995 erscheinende Online-Ausgabe ist somit Geschichte. Die Möglichkeit, dass das geplante Nachfolgemedium, das bereits im Juli starten soll, in derselben journalistischen Liga mitspielen kann, ist auszuschließen.

„Dieses Gesetz ist ein Tiefpunkt in der schon bisher nicht sehr hochstehenden Medienpolitik unseres Landes“, stellt dazu Concordia-Präsident Andreas Koller fest. Die Abwürgung der Wiener Zeitung sei eine kultur- und medienpolitische Schande ersten Ranges. Die Republik als Eigentümerin der Zeitung hätte die moralische Verpflichtung gehabt, für dieses hervorragende Medium ein tragfähiges Zukunftskonzept zu entwickeln. Bedauerlich findet Koller, dass die Regierung sämtliche konstruktiven Vorschläge von Expertinnen und Branchenkennern, wie die Wiener Zeitung in die Zukunft zu führen sei, ignorierte und unbeirrbar ihren fatalen Kurs beibehielt.

Vom neuen Online-Medium, künftig mit jährlich 7,5 Millionen Euro aus Steuermitteln finanziert, ist bisher weder ein inhaltliches Konzept bekannt, noch wer es leiten soll. Ob und wie seine redaktionelle Unabhängigkeit abgesichert wird, ist ebenfalls unklar. Das bisherige Redaktionsstatut der Wiener Zeitung räumte den Journalist*innen ein starkes Mitspracherecht ein, etwa bei der Bestellung der Chefredaktion. Am Samstag verliert es seine Gültigkeit. Allem Anschein nach liegen dann sämtliche Entscheidungen bei der Geschäftsführung der Wiener Zeitung GmbH – die direkt vom Bundeskanzleramt bestellt wird.

Mit 1. Juli bekommt auch das bereits laufende Ausbildungsprogramm der Wiener Zeitung eine gesetzliche Grundlage. Die genaue Ausgestaltung dieses sogenannten Media Hubs ist ebenfalls unbekannt. Fragen zu Lehrplänen, Auswahlverfahren für Dozent*innen und Teilnehmer*innen, Zertifizierung und Qualitätssicherung und Distanz zur ebenfalls bei der Wiener Zeitung GmbH angesiedelten „Content Agentur für den Bund“ blieben auf unsere Anfrage bei Geschäftsführung und im Büro der Medienministerin unbeantwortet.

Das Budget des Media Hubs ist mit sechs Millionen pro Jahr so hoch dotiert, dass von dort aus der gesamte journalistische Ausbildungsmarkt dominiert und gesteuert werden kann. Zukünftig wird es für Marktteilnehmer kaum möglich sein, sich einer Kooperation mit der staatlichen Journalistenschule zu entziehen

Eine solche öffentliche Ausbildungseinrichtung, die als Black Box und unter alleiniger Kontrolle des Bundeskanzleramtes agiert und die üblichen Kriterien für Qualitätssicherung nicht einhalten muss, ist unverantwortlich gegenüber der Allgemeinheit, den Kooperationspartnern und letztlich auch gegenüber den Auszubildenden.

Zukünftig werden nicht mehr Unternehmen über Inserate die Wiener Zeitung finanzieren, sondern wir alle für ein Online-Medium, einen “Media Hub” und eine “elektronische Verlautbarungs- und Informationsplattform des Bundes” jährlich 16,5 Millionen Euro zahlen. Bis zum letzten Tag der alten Wiener Zeitung bleiben viele Fragen offen. Im Namen aller Steuerzahler*innen erwarten wir Antworten, wie unser Geld verwendet wird und politischer Missbrauch in dieser neuen Struktur verhindert werden soll.