Journalistenausbildung unter Kontrolle des Bundeskanzlers ist mit Medienfreiheit und Demokratie völlig unvereinbar
3. November 2022
Gesetz zur Wiener Zeitung dient der Bundesregierung als Vorwand zur Verstaatlichung journalistischer Ausbildung: Presseclub Concordia lehnt den Entwurf als Ganzes ab
Statt die Existenz der Wiener Zeitung als unabhängiges Medium mit öffentlichem Charakter abzusichern, besteht der Kern des Entwurfs des „Bundesgesetz(es) über die Wiener Zeitung GmbH und Einrichtung einer elektronischen Verlautbarungs- und Informationsplattform des Bundes” in der Einrichtung einer staatlich kontrollierten Aus- und Fortbildung von Journalist*innen sowie der unzulässigen Vermischung von amtlicher PR mit journalistischer Arbeit. Der Presseclub Concordia lehnt darum den vorgelegten Entwurf des „WZEVI-Gesetzes“ als Ganzes ab.
In diesem Entwurf wird die Wiener Zeitung zu einem “Aus- und Weiterbildungsmedium” umdefiniert. In § 4 des WZEVI-Gesetz ist dafür die Einrichtung eines “Media Hub Austria” vorgesehen, der Ausbildungs- und Weiterbildungsprogramme sowie Praxisplätze bereitstellt, um “(angehende) Journalistinnen und Journalisten auf zukünftige Erfordernisse des Medienmarkts vorzubereiten”.
Mit einem solchen „Media Hub Austria“ käme es zu einer einschneidenden Verstaatlichung journalistischer Aus- und Fortbildung. Mit der Unabhängigkeit von Medien ist dies völlig unvereinbar: Dotiert mit einem Volumen von 6 Millionen Euro – mehr als die Budgets aller bestehenden privaten Ausbildungsinitiativen zusammen – wird damit journalistische Ausbildung unter die Kontrolle einer GmbH in direkter Weisungslinie des Bundeskanzleramts gebracht. „Künftig könnte der Bundeskanzler der ihm unterstellten Gesellschaft einfach anordnen, was angehende Journalisten zu lernen hätten“, erklärt Concordia-Präsident Andreas Koller. „Dieser autokratische Ansatz ist für eine Demokratie völlig unakzeptabel.“
Eine dermaßen hoch dotierte – und in Österreichs differenzierter Landschaft für Medienbildung in dieser Größenordnung nicht erforderliche Einrichtung – würde die gesamte journalistische Aus- und Fortbildung dominieren. Dabei sieht der Gesetzesentwurf nicht einmal den Nachweis von pädagogischer Kompetenz, didaktischen Konzepten, Bedarfsanalysen, wissenschaftlicher Anbindung, Qualitätskontrollen oder Zertifizierungen vor, wie sie bestehende Einrichtungen selbstverständlich erfüllen müssen.
Obendrein wäre der „Media Hub Austria“ nicht der Rest-Redaktion, sondern direkt der Geschäftsführung der Wiener Zeitung GmbH unterstellt. Die Auszubildenden würden weiters in die sogenannte „Content Agentur Austria” eingebunden, die „Content- und Agenturleistungen für den Bund und Unternehmen des Bundes” erbringt. Daraus entsteht eine mit professionellem Journalismus unvereinbare Vermischung journalistischer Aufgaben mit Kommunikationsarbeit im Interesse des Staates.
„Ein solch massiver staatlicher Eingriff in die journalistische Profession wäre eine demokratiepolitische Katastrophe und widerspricht dem wichtigsten Kriterium für qualitätsvollen und kritischen Journalismus: politischer Unabhängigkeit. Wir halten es für völlig falsch, mitten in der aktuellen Debatte über Medien-Korruption durch frisierte Umfragen und deren gekaufte Veröffentlichung den sensiblen Bereich der Journalismus- und Medienbildung zu einer staatlichen Blackbox umzubauen“, so Koller.
„Selbstverständlich wären höhere Budgets für bestehende unabhängige Aus- und Fortbildungseinrichtungen zur Qualitätssteigerung des heimischen Journalismus und für Innovationen sinnvoll“, erklärt Daniela Kraus, Generalsekretärin des Presseclubs Concordia. „Dies müsste jedoch nach transparenten Förderstrukturen erfolgen, die der parlamentarischen Kontrolle unterliegen. Dazu gehören klare Kriterien, eine qualifizierte Fachjury aus Praxis und Wissenschaft.“ Die laut Gesetzesentwurf mögliche Quersubventionierung anderer Institutionen durch nicht näher definierte Kooperationen mit dem „Media Hub Austria“, die keinerlei Transparenz und Kontrolle unterliegen, darf kein Ersatz für die Förderung unabhängiger Aus- und Weiterbildung sein.
Für eine nachhaltige Zukunft der Wiener Zeitung fordert die Concordia weiterhin eine Lösung, die sie als unabhängiges Nachrichtenmedium erhält. Der Gesetzesentwurf verdeutlicht neuerlich, dass die Republik keine Bereitschaft zur weiteren Herausgabe der Wiener Zeitung als Medium mit öffentlich-rechtlichem Charakter zeigt. Der Presseclub Concordia erneuert daher seine Forderung zur Übergabe des Mediums Wiener Zeitung an einen neuen Eigentümer, der bereit ist, den Charakter des Mediums zu erhalten.
„Das WZEVI-Gesetz sollte schleunigst in einer Schublade verschwinden – dafür ist es höchste Zeit, das schubladisierte Informationsfreiheitsgesetz umzusetzen. Österreich ist in diesem Bereich das Schlusslicht in der EU“, erklärt Koller.
Stellungnahmen zum Gesetzesentwurf sind bis 30.11.2022 auf der Website des Parlaments möglich. Wir rufen alle Kolleg*innen, Medienunternehmen, Institutionen und Bürg*innen auf, vehement gegen diesen Angriff auf die Unabhängigkeit des Journalismus in Österreich zu protestieren.