Die Unabhängigkeit des ORF: Konferenz des Rechtsdienst Journalismus

Der Verfassungsgerichtshof prüft die strukturelle Unabhängigkeit von Publikums- und Stiftungsrat des ORF – eine Weichenstellung für die demokratische Infrastruktur und die Rahmenbedingungen hunderter Journalist:innen. Es ist also auch höchste Zeit für eine öffentliche Debatte, die sich mit der Unabhängigkeit des ORF in all ihren Facetten beschäftigt. Die Konferenz des Rechtsdienst Journalismus, die am 23. Juni 2023 im Presseclub Concordia stattgefunden hat, stellte die institutionelle Autonomie des ORF auf den Prüfstand und präsentierte Ansätzen, um sie zu stärken.

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk spielt, als unverzichtbarer Teil des dualen Rundfunksystems, eine tragende Rolle in unserer demokratischen Gesellschaft: Als Vermittler von korrekter, kritischer und glaubwürdiger Information, als Träger der öffentlichen Debatte, als Kontrolleur der Macht, als Hort der Kultur, als integrative Kraft. Er ist durch die Allgemeinheit finanziert, von der Allgemeinheit kontrolliert und für die Allgemeinheit da. Begünstigter des als Stiftung eingerichteten ORF ist demgemäß die Allgemeinheit.

Grundvoraussetzung für die Erfüllung der öffentlich-rechtlichen Aufgabe ist eine umfassende Unabhängigkeit. Das ist spätestens seit dem Rundfunkvolksbegehren 1964 Konsens. Aus diesem Geist ging 1974 mit dem BVG-Rundfunk die verfassungsrechtliche Garantie der Unabhängigkeit des ORF hervor: Der Gesetzgeber hat Regeln und Strukturen zu schaffen, die schon die bloße Möglichkeit der unzulässigen Einflussnahme verhindern.

Nachdem der Verfassungsgerichtshof im Sommer oder Herbst 2023 über die Bestellungsregeln zum Publikums- und Stiftungsrat entscheidet, ist eine grundsätzliche öffentliche Debatte über die institutionelle Autonomie des ORF unausweichlich. Die wohl drängendsten Probleme betreffen die ORF-Aufsichts-Gremien sowie die strukturelle Möglichkeit von unzulässiger Einflussnahme im Inneren. Dazu kommen Fragen der Transparenz, denn klar ist auch: Eine stärkere Unabhängigkeit verlangt nach einer stärkeren Verantwortlichkeit gegenüber der Allgemeinheit.

Die Rechtsdienstkonferenz 2023 widmete sich daher dem Thema „Die Unabhängigkeit des ORF.“ Unter Beteiligung internationaler Experten wurden ausgewählte Aspekte der Unabhängigkeit beleuchtet und Vorschläge zur deren Stärkung besprochen. Ziel der Veranstaltung ist es, die demokratiepolitische Notwendigkeit von öffentlich-rechtlichem Rundfunk und seiner umfassenden Unabhängigkeit zu vermitteln sowie das Bewusstsein für einen akuten Handlungsbedarf zu schärfen und dabei in Lösungskategorien zu denken. Fundierte Argumente dienen als Anstoß und Grundlage für einen sachlichen öffentlichen Diskurs.

Vortragende

Oliver Scheiber · Richter, Autor
„Vom Wesen und Wert der Unabhängigkeit“
Grundsätzliche Fragen der Unabhängigkeit und was wir aus der Justiz lernen können

Thomas Maurer · Denker, Autor, Kleinkünstler
„Eine Stimme der Allgemeinheit“
Unabhängiger Rundfunk als Grundlage des Gemeinwesens

Christoph Bieber · Politikwissenschafter (Uni Duisburg-Essen), ehem. WDR-Rundfunkrat
„Die Unabhängigkeit öffentlich-rechtlicher Rundfunk-Gremien“
Aufsichtsgremien der ARD und was wir aus Deutschland lernen können

Wilfried Embacher · Rechtsanwalt, ehemaliger ORF-Stiftungsrat
„Der Stiftungsrat von innen“
Strukturelle Probleme und Herausforderungen der Gremienarbeit im ORF

Walter Strobl · Jurist (Rechtsdienst Journalismus)
„Das System ORF im Lichte der Unabhängigkeit“
Problemzonen und mögliche Maßnahmen zur Stärkung der Unabhängigkeit

Kira Vermang · Juristin, Leiterin BBC Performance Policy (Ofcom)
„Der Auftrag und die Messung seiner Erfüllung“
Qualitätssicherung und Rechenschaft gegenüber der Allgemeinheit am Beispiel BBC

Berichterstattung

DER STANDARD: Unabhängigkeit im ORF auch „ohne Heldentum“ absichern, fordern Experten
DER STANDARD: Politikwissenschafter Bieber: „ORF-Beitrag ist eine Art Demokratieabgabe“
Ö1 Morgenjournal: Wege zu stärkerer Unabhängigkeit des ORF