Wie über Gewalt an Frauen berichten?

Wie über Gewalt an Frauen oder über sexualisierte Gewalt berichten, ohne zu verharmlosen oder Voyeurismus zu bedienen? Ohne anderen Opfern den Ausstieg aus gewaltvollen Beziehungen zu erschweren oder sie in der Berichterstattung zu Mitverantwortlichen machen? Einige einfach zu befolgende Tipps und Erkenntnisse aus einem Workshop des Frauennetzwerk Medien mit Andrea Brem, der Geschäftsführerin der Wiener Frauenhäuser, und der ehemaligen Journalistin Sibylle Hamann.

 

Was kann und soll man in der Berichterstattung beachten:

Opfern eine Stimme geben: Wenn die Betroffene selbst (nicht mehr) sprechen kann, gibt es Gewaltschutzorganisationen, die den Opfern eine Stimme geben können. Sie haben haben außerdem die Erfahrung, wie man betroffene Frauen vor Retraumatisierung schützt. Zu bedenken: Anwälte der mutmasslichen Täter haben die Aufgabe, die Täter zu verteidigen – und nicht neutral den Medien zu berichten.

Gewalttaten nicht erklären und entschuldigen: Einfühlsame Berichterstattung erfordert ein „Hineinspüren in die Situation“, sagt Sibylle Hamann, aber kein Schildern vermeintlicher Beweggründe des Täters, die als Entschuldigungen der Tat gelesen werde können.

Genaue und sensible Sprache verwenden: Worte wie „Streit“, „Familientragödie“, „erweiterter Suizid“ suggerieren in gleichem Maße Beteiligung von Täter und Opfer und verschleiern, dass es sich um Mord(versuche) und schwere Körperverletzungen oder einen Verdacht darauf handelt. Auch die Sexualisierung von Gewalttaten über die Worte „Sexattacke“, „Dessousmord“ oder „Triebtäter“ hat in der Berichterstattung nichts verloren.

Bilder ohne Voyeurismus: Ausschnitte des Tatorts, die die Anonymität wahren, Polizeistation oder Gerichtsgebäude sind Varianten, genauso wie klar als solche erkennbare Symbolfotos.

Anonymität und Opferschutz beachten: Ortsangaben, Namen, Familienfotos oder Täterfotos stehen nicht nur im Widerspruch zu den Persönlichkeitsrechten, sie können jene, die von Gewalt in der Familie betroffen sind, neuerlich in Gefahr bringen. Kontaktmöglichkeiten zu Gewaltschutzstellen wie dem Wiener Frauennotruf (01/71719) oder der österreichweiten Frauenhelpline gegen Gewalt (0800 222 555) sind für weitere Betroffene  wichtig.

In einer Aussendung weist auch der Österreichische Presserat auf die Wichtigkeit von verantwortungsvoller Berichterstattung hin: Das Leid, das die betroffenen Frauen und ihre Angehörigen erfahren, darf durch die Berichterstattung nicht vergrößert werden, etwa durch die Bekanntgabe grausamer oder intimer Details oder die Veröffentlichung von Fotos ohne Genehmigung (siehe Punkt 5.4 des Ehrenkodex für die österreichische Presse). Zudem ersucht der Senat, bestimmte in der Berichterstattung verbreitete Bezeichnungen wie „Ehe-, Beziehungs- oder Familiendrama“, „Eifersuchtsmord“ oder „erweiterter Suizid“ kritisch zu hinterfragen