Rede von Heide Schmidt bei den Concordia Preisen 2022
Bei der Live-Übertragung und der Aufzeichnung der Concordia-Preisverleihung am 26. April im Parlament kam es bei der Rede der Jury-Vorsitzenden Heide Schmidt zu einem technischem Ausfall. Der Presseclub Concordia ist dem nachgegangen, da just eine Passage, in welcher Parlamentspräsident Wolfgang Sobotka kritisiert wird, fehlt. Wir konnten allerdings keine Indizien für eine Manipulation feststellen. Der externe Dienstleister des Parlaments übermittelte uns Logfiles, die auf ein Encoding- oder Internet-Problem hinweisen. Unbeteiligte Experten aus Deutschland bestätigten die Plausibilität dieser Erklärung.
Hier die Rede von Mag. Dr. Heide Schmidt im Wortlaut:
Ich freue mich sehr, dass wir auch heuer wieder die Concordia Preise hier im Parlament vergeben dürfen. Danke schön für die Gastfreundschaft!
Ich freue mich deswegen, denn – und ich kenne als ehemalige Parlamentarierin durchaus die Schwachstellen auch des Parlamentarismus – für mich ist und bleibt das Parlament das Herz der Demokratie, so wie die Menschenrechte und wie die Pressefreiheit unverzichtbare Lebensadern der Demokratie sind. Und wenn die Concordia Preise die Absicht haben – und ich hoffe, sie erfüllen diesen Zweck –, jenen, die sich um Pressefreiheit und Menschenrechte verdient gemacht haben, den Rücken zu stärken und das auch zu benennen, so glaube ich, dass wir Bürgerinnen und Bürger uns auch unmissverständlich zu Wort melden müssen, wenn dem Herz der Demokratie, dem Parlament, Schaden zugefügt wird. Und es wird ihm Schaden zugefügt, wenn seine Kontrollinstrumente untergraben, ausgehöhlt oder gar lächerlich gemacht werden, und es wird ihm Schaden zugefügt, wenn seine Kontrollinstrumente zuerst von den unmittelbar Betroffenen und daher in weiterer Folge auch vom Staatsvolk nicht mehr ernst genommen werden.
Es wird ihm auch schon Schaden zugefügt, wenn man das nicht gezielt will, aber es einfach in Kauf nimmt. Nicht nur in der Justiz, sondern bei jeder Kontrollausübung, ist die Unbefangenheit der Leitung der Kontrolle eine Grundvoraussetzung. Befangenheit ist nicht nur ein subjektives Gefühl, sondern Unbefangenheit muss vor allem von der Außenwelt glaubhaft wahrgenommen werden. Das ist so ein bisschen wie mit der Neutralität: Da genügt es auch nicht einfach nur, dass man behauptet, dass man neutral ist, sondern die Neutralität kann ihre Wirkung erst entfalten, wenn sie aufgrund des staatlichen Verhaltens – also wenn sie gelebt wird – auch von der Außenwelt so wahrgenommen wird.
Und deswegen habe ich das Gefühl, dass das Herz der Demokratie, das Parlament, derzeit an Herzrhythmusstörungen leidet – und das kann gefährlich werden, und daher muss man dringend etwas dagegen tun, Herr Präsident!
Heute aber widmen wir uns und befassen wir uns mit den weiteren Lebensadern der Demokratie, nämlich der Pressefreiheit und den Menschenrechten. Und ich wurde schon gefragt, wie schwierig es war: Ja, es war auch heuer wieder schwer, eine Entscheidung zu treffen, und zwar deswegen, weil so viele auszeichnungswürdige Vorlagen nominiert wurden. Aber – auch wie immer – waren wir uns schließlich nach einem, wie ich glaube, verantwortungsvollen Auswahlprozedere letztlich einig: für die Kategorie Menschenrechte fiel die Wahl auf Christa Zöchling, für die Kategorie Pressefreiheit auf Martin Thür. Beide Ausgezeichneten haben höchst kompetente Laudatorinnen, sodass ich mich auf wenige Sätze beschränken kann.
Dass sich Christa Zöchling mit ihrer Arbeit seit langem engagiert bemüht, das Bewusstsein in der Bevölkerung dafür zu schärfen, worum es beim Wesen der Menschenrechte geht und warum wir sie daher brauchen, ist evident. Sie kümmert sich dabei nicht nur um die Vergangenheit – sie kümmert sich um die Vergangenheit –, sie kümmert sich auch um die Gegenwart, und das alles in der Hoffnung, dass das eine Chance für eine bessere Zukunft bildet. Ich will mir meinen Optimismus auch nicht nehmen lassen, wiewohl er mir immer schwerer fällt.
Wenn sie in ihrem Artikel, den wir als Grundlage unserer Auszeichnung genommen haben, das Schicksal einer afghanischen Familie auf ihrem Fluchtweg schildert, dann öffnet das hoffentlich so manchem auch die Augen darüber, was trotz der schrecklichen Spielregeln, die sich Österreich und Europa gegeben haben und die hoffentlich bald verändert werden, humaner ablaufen könnte, wenn es mehr Empathie, Verantwortung und Courage der handelnden Personen gäbe. Das ist der Grund gewesen, warum wir gefunden haben: Dieser Artikel macht das hoffentlich mehr Menschen deutlich als denen, die es vorher auch schon gewusst haben.
Auch Martin Thür hat – in der Kategorie Pressefreiheit – bewiesen, was er unter Verantwortung und Courage versteht, was er unter Kontrollauftrag des Journalismus versteht. Er hätte es sich einfach machen können, und niemand hätte es ihm übel genommen, denn der Anlass für das alles, warum er ausgezeichnet wurde – die Auskunftsverweigerung vom Parlament – ist nicht irgendetwas, sondern von einer hoch angesiedelten und prinzipiell auch hoch angesehenen Institution – mit der Kontrollbereitschaft scheint es ein bisschen ein Problem zu geben.
Martin Thür wollte das nicht widerspruchslos hinnehmen und ist daher zum Verfassungsgerichtshof gegangen. Und jetzt kann man sagen – das ist ein Selbstverständnis: Wir leben in einer Demokratie, wo ist da Mut notwendig? Wir alle wissen, dass es in bestimmten Berufsfeldern die unterschiedlichsten Überlegungen gibt, von Rechten Gebrauch zu machen. Martin Thür allerdings hat nur seine Grundprinzipien, die er als Journalist hat, im Auge gehabt, und hat damit ein beträchtliches neues Stück Informationsfreiheit beim Verfassungsgerichtshof erkämpft, und das haben wir in der Jury für vorbildhaft empfunden.
Ich hoffe sehr, dass der Gesetzgeber Parlament in naher Zukunft – sehr bald – diese demokratisch notwendige Informationsfreiheit auch tatsächlich beschließt, sie absichert und natürlich unter Abwägung auch des Datenschutzes in ein Gesetz gießt, dass man sich eben nicht erst durchkämpfen muss, um etwas zu erfahren. Vielleicht wird auch jenes Rechtsstaat und Antikorruptionsvolksbegehren, das vom 2. bis 9. Mai zur Unterschriftsleistung aufliegt, einen Anstoß für den Gesetzgeber geben, was in welchem Umfang und wie sehr von der Bevölkerung auch gewünscht zu tun ist.
Der Presseclub Concordia hat es sich also zur Aufgabe gemacht, aktiv die Demokratie zu stärken, die Menschenrechte, die Pressefreiheit. Die heutige Veranstaltung, die Preisverleihung, ist auch ein Beitrag dazu, und deshalb danke ich Ihnen allen, vor allem aber auch der Preisträgerin und den Preisträgern, dass Sie heute hier sind. Danke schön.