Stellungnahme zum Hass-im-Netz-Gesetz
Wien, 15. Oktober 2020
Insgesamt schätzen wir das Paket als sinnvollen Schritt hin zu mehr Opferschutz ein, das ein komplexes Thema auf gleich mehreren Ebenen adressiert. Mit unserer Stellungnahme regen wir Begleitmaßnahmen und Präzisierungen an.
Für unsere Branche ist das Thema Hass im Netz besonders wichtig, weil Journalisten und besonders Journalistinnen überdurchschnittlich von Online-Angriffen betroffen sind. Wir wollen, dass sie Möglichkeiten bekommen, sich dagegen effektiv zu wehren. Gemeinsam mit Expertin Ingrid Brodnig haben wir uns am Begutachtungsverfahren zum Hass-im-Netz-Gesetzespaket beteiligt. Wir finden, dass die neuen Regelungen ein Schritt in die richtige Richtung sind und teilweise den Forderungen entsprechen, die wir bereits während der Regierungsverhandlungen eingebracht haben. Wir hoffen, dass das Gesetz zu einem Kulturwandel in der Online-Kommunikation beiträgt.
Damit das komplexe Maßnahmenpaket seine Zielsetzung erfüllen kann, sind aus unserer Sicht folgende Begleitmaßnahmen zentral:
- Eine personelle Aufstockung der Gerichte und Staatsanwaltschaften,
- Sensibilisierung für das Thema in Verwaltung und Exekutive,
- Regelmäßige Evaluation, Begleitforschung und gegebenfalls Anpassung.
Es ist überfällig, dass auch die großen Plattformbetreiber mit dem KoPl-G in die Pflicht genommen werden, die Verbreitung von menschenverachtenden Inhalten einzudämmen. Wir empfehlen Mindeststandards für die Meldeformulare zund dass die Transparenzberichte der Plattformen in einem einheitlichen maschinenlesbaren Format erstellt werden sollen.
Im Strafrecht erachten wir es als positiv, dass in einigen Punkten der Opferschutz ausgedehnt wird – beispielsweise der Cybermobbing-Paragraf etwas weiter gefasst wird und auch der Verhetzungstatbestand einzelnen Betroffenen leichter ermöglicht, sich juristisch zur Wehr zu setzen: Wir hoffen, dass diese Nachbesserungen auch Journalist*innen helfen, welche durchaus oft Betroffene von Mobbing und hetzerischen Kommentaren sind.
Problematisch finden wir jene Passagen, die es Arbeitgeber*innen einseitig ermöglichen, juristische Schritte gegen rechtswidrige Postings einzuleiten – selbst wenn dies gegen den Wunsch der betroffenen Arbeitnehmer*innen ist. So kann es Fälle geben, in denen eine beleidigte Person, zum Beispiel ein Journalist oder eine Journalistin, dies absichtlich nicht verfolgen will, da juristische Streitigkeiten zusätzliche Aufmerksamkeit für eine Beleidigung oder falsche Behauptung schaffen können (siehe: Streisand-Effekt). Wir meinen: Es muss die Entscheidung des oder der betroffenen Redakteur*in sein, ob juristische Schritte gesetzt werden.
Künftig soll es Betroffenen von Beleidigungen und übler Nachrede möglich werden, einen Antrag auf Ermittlungsmaßnahmen bei rechtswidrigen Postings zu stellen: Wir heben positiv hervor, dass hier die Rechte von Opfern ausgebaut werden. Gleichzeitig weisen wir auf die Datenschutzfrage hin: Wir empfehlen, die Daten der Antrag stellenden Partei erst dann zur Verfügung zu stellen, wenn es tatsächlich zu einer Klage kommt – sonst besteht die Gefahr, dass diese Ermittlungen missbraucht werden, um etwa Kritiker*innen ausforschen zu lassen.