Concordia-Stellungnahme zu 210 Millionen Medialeistungen

10. Dezember 2020

180 + 30 Millionen Medialeistungen: Stellungnahme des Presseclub Concordia

Mit der Ausschreibung eines Rahmenvertrags für Mediaagentur-Leistungen über 30 Mio. Euro sowie den damit verbundenen Rahmen von 180 Mio. Euro für Mediaschaltungen setzt die Bundesregierung einen ungewöhnlichen Schritt der Intervention in den österreichischen Medienmarkt durch ein massiv erhöhtes Werbevolumen für staatliche Stellen.

Auch wenn diese Leistungen – der Ausschreibung nach – nicht in voller Höhe abgerufen werden müssen, so stellen sie für den geplanten vierjährigen Zeitrahmen mehr als eine Verdoppelung der bisherigen Werbemittel der Bundesregierung dar. Die Praxis legt nahe, dass einmal bereitgestellte Mittel unabhängig von objektiver Notwendigkeit auch eingesetzt werden.

Zwei wesentliche Gründe wurden in Stellungnahmen der Regierung als Rechtfertigung für die massive Erhöhung ihrer Werbemittel genannt: Einerseits der durch die Corona-Pandemie erhöhte Informationsbedarf, andererseits eine indirekte Stützung von Medien, die durch die wirtschaftliche Krise bedingten Rückgänge an Werbeeinnahmen auszugleichen.

Es ist richtig, dass die Pandemie den Informationsbedarf der Bevölkerung wesentlich erhöht hat. Die Bundesregierung, ebenso wie Landesregierungen, müssen dem mit verstärkter öffentlicher Information Rechnung tragen. Allerdings sind Werbeschaltungen dazu nur eines von mehreren Mitteln, das auch im Kontext demokratischer Pluralität gesehen werden muss. In erster Linie ist offene Information das Mittel der Wahl, um die Bevölkerung auf dem Wege unabhängigen Journalismus zu informieren: Durch Pressekonferenzen wie Presseinformation aller Art durch die Regierungen, durch Websites wie dem Dashboard des Gesundheitsministeriums, Websites mit Informationen zu Covid-19, help.gv.at, usw.

Werbung als Mittel, diese Information zu verbreiten, ist legitim, birgt jedoch auch problematische Aspekte. So verschiebt sie das Informationsgleichgewicht zugunsten der Regierungsparteien, die ihre Maßnahmen mit – nunmehr enorm erhöhtem – Werbedruck kommunizieren können, während Oppositionsparteien, aber auch Landesregierungen mit unterschiedlichen Botschaften hier im Nachteil sind. Insbesondere die dauerhafte Anhebung der Werbeetats über den Zeitraum von vier Jahren verstärkt diese Dynamik: Denn während dank Impfungen ein Rückgang der Corona-Thematik (als Begründung für erhöhten Werbebedarf) nach 2021 zu erwarten ist, bleibt der Werberahmen unverändert hoch. Damit würde vor allem in zeitlicher Nähe der nächsten Bundeswahlen das Werbeaufkommen automatisch zugunsten der Regierung ins Gewicht fallen.

Eine derart hohe Summe aus Budgetmitteln darf nicht durch Auslagerung an externe Dienstleister der parlamentarischen Kontrolle entzogen werden.

Darum sind klare Richtlinien über die Art und Weise der durch Werbung getragenen Kommunikation erforderlich. Die Erstellung dieser Richtlinie sollte Aufgabe eines Gremiums des Nationalrats sein, damit darüber ein öffentlicher Diskurs stattfindet und alle Parteien in dieser Definition eingebunden sind (es ist denkbar für solche Richtlinien eine qualifizierte Mehrheit vorzusehen, um die Einbindung zumindest eines Teils der Opposition zu gewährleisten). Nebst inhaltlichen Kriterien für die Art der Kommunikation muss ein wesentliches Element dieser Richtlinie sein, dass Aufwendungen in gleichmäßiger Form allen Österreichern durch entsprechende Medienstreuung zugute kommen (Durchrechnung des Pro-Kopf-Medienaufwands nach geografischer Verteilung).

Da Werbung jedoch nur ein begleitendes Mittel der Regierungskommunikation ist, kommt unabhängigem Journalismus und Medien als Mittler von Informationen naturgemäß eine zentrale Rolle zu. Der Weg, dies zu stärken, besteht aus Sicht des Presseclubs Concordia in Medienförderung, die unabhängig von Werbeschaltungen ist. Der jetzt ausschließlich für Werbung vorgesehen Etat soll nur zu einem Teil für Werbung vorgesehen werden. Zum anderen Teil sollen diese Mittel für eine wesentliche Erhöhung der Medienförderung dienen, die vom Wohlverhalten gegenüber Inseraten-Auftraggebern unabhängig ist. Diese Medienförderung muss – insbesondere im Hinblick auf die erhöhte mediale Verantwortung im Pandemiegeschehen – klar an Qualitätskriterien geknüpft werden. Dazu gehören u.a. Aspekte wie die Verpflichtung des Mediums zur Einhaltung des Ethikkodex des österreichischen Journalismus, Mitgliedschaft im österreichischen Presserat, Aus- und Fortbildungen in Hinblick auf Wissenschaftsjournalismus, Zahl der beschäftigten Journalisten in Redaktionen (der Presseclub Concordia ebenso wie andere Institutionen haben an anderer Stelle zu Kriterien einer qualitätsvollen Medienförderung ausführlich Stellung genommen).

Auch durch weitere, dringend notwendige Maßnahmen, kann und muss die Bundesregierung die Qualität ihrer Information für Bürgerinnen und Bürger stärken. Dazu gehört in erster Linie die umgehende Verwirklichung des – seit langer Zeit angekündigten – Informationsfreiheitsgesetzes und sowie eine Open Data Initiative, die in allen Bereichen der Verwaltung für Transparenz und Zugänglichkeit von Information sorgt.

Presseclub Concordia, Dezember 2020