Concordia Preise 2018
Das Recherchenetzwerk Europe’s Far Right erhält den Concordia Preis in der Kategorie Pressefreiheit; in der Kategorie Menschenrechte wird Christoph Zotter vom profil ausgezeichnet und Elfriede Hammerl für ihr Lebenswerk geehrt.
Die Concordia zeichnet heuer Professorin Elfriede Hammerl für ihr journalistisches und schriftstellerisches Wirken und ihren Einsatz für Gerechtigkeit mit dem Ehrenpreis für ihr Lebenswerk aus. Ihre Arbeit als Kolumnistin sticht durch thematische Breite und differenzierte Darstellung komplexer gesellschaftlicher Sachverhalte hervor, ihre pointierten Analysen zeigen systematische Benachteiligungen auf, besonders von Frauen, und entlarven Vorurteile. Mit Witz, Ironie und stilistischer Brillanz kämpft Elfriede Hammerl gegen soziale Ungerechtigkeit und für die Emanzipation von veralteten Rollenbildern. Sie ist Vorstandsmitglied des Presseclub Concordia, seit 1970 für österreichische Tageszeitungen und das ORF-Fernsehen journalistisch tätig und seit 1984 Kolumnistin des profil. Seit den 1980er Jahren hat sie zahlreiche Theaterstücke, Kurzgeschichten, Romane und Drehbücher veröffentlicht. Sie war Mitinitiatorin des Frauenvolksbegehrens von 1997. Elfriede Hammerls aufklärerische Konsequenz und ihr Einsatz gegen Diskriminierungen sind vorbildhaft für die Werte, für die die Concordia steht.
Mit dem Concordia Preisin der Kategorie Pressefreiheit wird für 2018 das Recherchenetzwerk „Europe’s Far Right“ ausgezeichnet. Journalistinnen und Journalisten aus sechs europäischen Ländern haben sich im Mai 2018 zusammengeschlossen, um länderübergreifend über den Aufstieg und die Strategien der Rechtspopulisten zu berichten. Zu den Mitgliedern des Netzwerks zählen die Tageszeitung Libération aus Paris (im Netzwerk vertreten durch Johanna Luyssen und Tristan Berteloot), die Wochenzeitung Internazionale aus Rom (Annalisa Camilli und Jacopo Zanchini), die Tageszeitung Gazeta Wyborcza aus Warschau (Kashia Brejwo und Bartosz Wielinski), die Wochenzeitung WOZ aus Zürich (Anna Jikhareva und Jan Jirat), die Wochenzeitung Falter aus Wien (Nina Horaczek), die Wochenzeitung HVG aus Budapest (Martón Gergely) sowie die Tageszeitung Taz aus Berlin (Malene Gürgen, Sabine am Orde, Patricia Hecht und Christian Jakob). Die europaweite Zusammenarbeit entspringt der Erkenntnis, dass kein Land vor Angriffen auf unsere Grundrechte gefeit ist und Ansätze zur Beeinträchtigung, wie sie auch in Österreich und Deutschland zu beobachten sind, kenntlich gemacht und abgewehrt werden müssen. Die erste große Recherche des Netzwerks behandelte die Medienstrategien der rechtspopulistischen Parteien in Europa und zeigte, wie weit die Pressefreiheit in Ungarn oder Polen bereits eingeschränkt ist. Durch Aufzeigen der Systematik dieser Angriffe soll das Erkennen der Instrumente und Vorgangsweisen zum Abbau unserer demokratischen Grundstrukturen erleichtert werden. Die Jury streicht die herausragende Recherche des Netzwerks hervor und betont die zunehmende Bedeutung der europaweiten Zusammenarbeit und Solidarität unter JournalistInnen. Kooperationen sind für die Berichterstattung in und über eine globalisierte Welt unverzichtbar. „Europe’s Far Right“ setzt diesen Netzwerkgedanken auf professionelle Art und Weise um. Das Bündeln der Kräfte über Grenzen hinweg ist im Sinne des Concordia Preises für Pressefreiheit journalistisch und verlegerisch vorbildhaft. Mit der Auszeichnung unterstützt die Concordia insbesondere Kolleginnen und Kollegen in jenen Ländern, in denen dieses Grundrecht bereits massiv angegriffen wird, und zeigt ihre Solidarität im Kampf für Presse- und Meinungsfreiheit.
Besonders viele Einreichungen erhielt die Jury für das Jahr 2018 in der Kategorie Menschenrechte, ein Indiz für die stetig zunehmende Notwendigkeit der Berichterstattung zu diesem Thema. Unter den vielen exzellenten Einreichungen wurde profil-Journalist Christoph Zotter für die Auszeichnung ausgewählt. Er erhält den Preis für eine Serie zum Thema Menschenrechtsverletzungen an der EU- Außengrenze. Ein zentrales Thema ist das Schicksal der sechsjährigen Afghanin Madina Hussiny, die bei einem versuchten Grenzübertritt ums Leben kam, die Auswirkungen auf ihre Familie und der Umgang der Behörden mit diesem Ereignis. Zotter fällt kein Urteil, sondern stellt die Betroffenheit der Menschen in den Mittelpunkt. Seine Berichte lassen uns die Theorie der Menschenrechte mit der gelebten Praxis in Beziehung setzen; er beleuchtet ein EU-Grenzland, „in dem Nacht für Nacht entschieden wird, wie Europa zum Ideal von Rechtsstaat und Menschenwürde steht.“ Er versucht, die betroffenen kroatischen und serbischen Behörden – wenn auch noch erfolglos – zur Überprüfung und Stellungnahme zu bewegen. Weitere Recherchen auch zu anderen Vorkommnissen führten schließlich zu parlamentarischen Anfragen an die EU-Kommission und den EU-Rat. Zotter schreibt gegen das Zudecken und Vergessen an. Seine Arbeit macht den Zusammenhang zwischen politischen Vorgaben und menschlicher Betroffenheit deutlich, am tragischsten, wenn es um Leben und Tod geht. Er zeigt aber auch die Grenzen journalistischer Möglichkeiten auf, ebenso wie die von NGOs, und richtet den Blick auf politische Verantwortlichkeiten. Die Jury würdigt mit ihrer Auszeichnung die Professionalität, Konsequenz, Hartnäckigkeit und Empathie, mit der Christoph Zotter die Verletzbarkeit von Mensch und System in unsere Aufmerksamkeit rückt.
Die Preisverleihung fand am Montag, dem 29. April 2019 statt.