Concordia-Vorstand über Verantwortung und Sicherheit von Journalist*innen
Wien, 19. Februar 2024
Bei seiner Sitzung am 13. Februar 2024 diskutierte der Vorstand des Presseclub Concordia über die Lage und Verantwortung des Journalismus in einer zunehmend polarisierten Gesellschaft. Einige der besprochenen Punkte sind hier zusammengefasst:
Schutz von Journalist*innen ist notwendig: Politik und Medienunternehmen sind gefordert
Seit Jahren warnt der Presseclub Concordia vor zunehmenden Angriffen auf Journalist*innen. Das Problem wurde auf EU-Ebene längst erkannt. Seit 2021 harrt die “Empfehlung zum Schutz, zur Sicherheit und zur Stärkung der Rolle von Journalisten” der EU-Kommission ihrer Umsetzung in Österreich – die Regierung ist dringend gefordert, zu handeln. Aber auch Medienunternehmen sind in der Verantwortung, ihre Mitarbeiter*innen gegen Angriffe und konzertierte Hasskampagnen mit rechtlichen und allen anderen verfügbaren Mitteln zu schützen.
Das journalistische Berufsethos gilt auch auf Social Media
Die großen Plattformen werden zunehmend zum demokratiepolitischen Problem. Aufregung, Hetze und zunehmend KI-unterstützte Troll-Netzwerke, die Desinformation, Hass und Propaganda verbreiten, bedrohen das gesellschaftliche Gefüge. Eine strengere Regulierung der Plattformen ist dringend notwendig. Doch was können wir selbst tun? Das Verhalten von Journalist*innen auf Online-Plattformen sollte den gleichen ethischen Ansprüchen gerecht werden wie ihre Berichterstattung. Die Tatsache, dass die grundlegenden Mechanismen der Plattformen den journalistischen Tugenden entgegenstehen, macht es umso wichtiger, ihnen zu entsprechen. Dazu zählen Werte wie Sorgfalt und Genauigkeit (verbreite ich Annahmen und Gerüchte oder gesicherte Tatsachen?), der Schutz von Persönlichkeit und Intimsphäre (rechtfertigt das öffentliche Interesse tatsächlich, dass ich mich zu dieser Geschichte äußere?) oder der Schutz vor Diskriminierung. Bei der Wahl der Tonalität sollten wir auch bedenken, welche Reaktionen wir damit hervorrufen könnten und diese Reaktionen gegebenenfalls moderieren.
Präzision bei Begriffen und Recherchen
Die Kampagne gegen Alexandra Föderl-Schmid hätte nicht ihr verheerendes Ausmaß erreicht, wären nicht auch seriöse Medien in die Falle der Agitatoren getreten. Bei der Berichterstattung über Vorwürfe, die geeignet sind, dem Ruf von Personen zu schaden, ist daher besonders auf die journalistische Sorgfalt zu achten: Sind Vorwürfe von zwielichtigen Medien oder Privatpersonen genug, um breit über sie zu berichten? Halten solche Vorwürfe einer näheren Prüfung stand? Wenn wir uns für die Berichterstattung entscheiden, sollten wir den Kontext recherchieren und besonders auf die Präzision von Begrifflichkeiten achten. Im Fall der Kampagne gegen Föderl-Schmid machte sich bis auf vereinzelte Ausnahmen kein berichtendes Medium die Mühe, das Privatgutachten eines für seine polemischen Zuspitzungen bekannten selbsternannten Plagiatsjägers grundsätzlich zu hinterfragen und auf seine Nachvollziehbarkeit zu überprüfen. Oder darüber aufzuklären, dass über Verstöße gegen die wissenschaftliche oder die journalistische Ethik nicht Privatpersonen entscheiden, sondern dazu eingerichtete Gremien nach ordentlichen Verfahren wie der Presserat oder die Agentur für wissenschaftliche Integrität. Der Vorwurf von Plagiarismus in journalistischen Arbeiten war absurd und hätte auch so bezeichnet werden sollen: Journalismus funktioniert nicht nach denselben Prinzipien wie Wissenschaft und beharrt nicht auf penibles Ausweisen jeder einzelnen Quelle. Was es im Journalismus geben kann, sind mangelnde Quellentransparenz und Urheberrechtsverletzungen. Aber auch über diese Fehler urteilen weder politische Agitatoren noch polemische Plagiatsjäger.